Die Lohnabzüge der Angestellten für die AHV werden weitgehend für die Auszahlung der laufenden Renten ausgegeben. Anders die Pensionskassenprämien: Dort spart jeder für sich selbst. Die Sparprämien werden den Versicherten gutgeschrieben. Jedes Jahr erhalten sie einen Auszug der Pensionskasse. Daraus ist ihr individuelles Altersguthaben ersichtlich – inklusive aufgelaufener Zinsen. Bei der Pensionierung haben sie einen Anspruch auf Auszahlung dieses Kapitals oder auf eine Rente.
saldo hat verglichen, wie viel Geld bisher in der zweiten Säule gespart wurde – und welcher Anteil davon den Versicherten gehört. Basis waren die Zahlen per Ende 2015, die der Bund letzte Woche veröffentlichte. Ergebnis: Das gesamte gesparte Kapital der zweiten Säule belief sich auf 1019,7 Milliarden Franken. Davon sind aber nur 903,3 Milliarden für Aktive und Rentner bestimmt. Differenz: Nicht weniger als 116,4 Milliarden Franken. Dieses Geld gehört den Pensionskassen und Versicherungen. Sie bezeichnen es als Reserven.
Wie setzen sich die 1019,7 Milliarden Franken konkret zusammen? 45,2 Milliarden Franken lagen Ende 2015 auf Freizügigkeitskonten von Banken und der Auffangeinrichtung des Bundes. Bei diesen Geldern ist der Fall klar: Sie gehören zu 100 Prozent den Versicherten.
Den Grossteil des Geschäfts mit der zweiten Säule machen aber die Pensionskassen: Sie hatten Ende 2015 in ihrer Bilanz 788,1 Milliarden Franken Vermögen. Von diesem Betrag tauchen jedoch nur 384,3 Milliarden auf den persönlichen Vorsorgeausweisen der erwerbstätigen Versicherten als Altersguthaben auf.
Weitere 317,9 Milliarden sind für die Renten der bereits Pensionierten zurückgestellt. Somit verbleiben für Reserven, Rückstellungen und freie Mittel 85,9 Milliarden Franken. Das heisst: Fast 11 Prozent der Bilanzsumme kommen nicht direkt den Versicherten zugute. Noch weniger gibt es für die Sparer in der zweiten Säule bei privaten Lebensversicherern: Vom Vermögen per Ende 2015 von 186,4 Milliarden Franken sind nur 155,9 Milliarden Deckungskapital für Versicherte und Rentner. 30,5 Milliarden laufen in der Bilanz unter Reserven, Rückstellungen und Überschüsse.
Viel Spielraum in den Bilanzen der Vorsorgeeinrichtungen
Die Bilanzen der Kassen und Versicherungen widerspiegeln aber nicht immer die reine Wahrheit. Die Buchhalter müssen in der Bilanz Ende Jahr beispielsweise nicht die aktuellen Kurswerte der Wertschriften oder den tatsächlichen Verkehrswert der Liegenschaften angeben. Sie dürfen die Aktiven kräftig unterschätzen.
Das bestätigt der Ökonom und ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm: Die Bilanzen der Vorsorgeeinrichtungen seien bezüglich der Anlagewerte «sehr manipulierbar». Bei den Lebensversicherern zeigt sich dies so: In der Rechnung 2015 beziffern sie die «Bewertungsreserven» auf 18,6 Milliarden Franken. Das sind Kursgewinne, die den Versicherten vorenthalten werden. Die Versicherungen nutzen die gesetzliche Möglichkeit, die Kurssteigerungen nur verbuchen zu müssen, wenn sie beim Verkauf der Wertschriften «realisiert» wurden. Das bedeutet: Die Reserven sind noch grösser als angegeben.
Situation ist besser als von der Branche dargestellt
Auch der unabhängige Pensionsversicherungs-Experte Jürg Jost hat die Rückstellungspolitik von Vorsorgeeinrichtungen verschiedentlich kritisiert. Jost analysierte mehrere Jahrgänge der Betriebsrechnungen der Lebensversicherer in der zweiten Säule. Dabei stellte er fest, dass die Versicherer einen Teil des jährlichen Gewinns in einen Überschussfonds buchen – anstatt ihn den Altersguthaben der Versicherten gutzuschreiben («K-Tipp» 20/2013).
Die hohen Reserven verschleiern, dass es Pensionskassen und Lebensversicherern deutlich besser geht, als sie es selbst darstellen. Dem widersprechen die Verbandsvertreter. Hanspeter Konrad vom Schweizerischen Pensionskassenverband erklärt, die Bewertungen der Pensionskassen seien keineswegs zu vorsichtig. Der Schweizerische Versicherungsverband verweist darauf, dass alle Rückstellungen «nach anerkannten aktuariellen Grundsätzen berechnet» sind. Lebensversicherer müssten jederzeit in der Lage sein, sämtlichen Verpflichtungen nachzukommen, was entsprechende Reserven und Rückstellungen bedinge.
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